Das Jahr 1918/19 in dem Roman des aus Tarnowitz stammenden Robert Kurpiun
Angeregt durch den Artikel von Przemysław Nadolski: Robert Kurpiun – der vergessene Schriftsteller“, – veröffentlicht in ‚Montes Tarnovicensis – Tarnowskie Góry‘ vom 21. Dezember 2000, bewarb ich mich über die örtliche Bibliothek, um seinen Roman “Am Abgrund. Das Jahr 1919 in einer oberschlesischen Grenzstadt. Nach Tagebuch blaettern“ (Über dem Abgrund. Das Jahr 1919 in einer oberschlesischen Grenzstadt. Nach den Seiten eines Tagebuchs.)
Warum habe ich diesen Roman aus seinem recht umfangreichen Werk ausgewählt? Weil die Grenzstadt, in der R. Kurpiun zu dieser Zeit lebte und über die er schreibt, „mein“ Tarnowskie Góry ist.
Die Handlung des Romans beginnt Ende Oktober 1918 und endet im Februar 1920. Eine tragische Zeit. Die Nachkriegsniederlage Deutschlands, eine Zeit des Hungers und der inneren Anarchie. Ständige Streiks, die hauptsächlich von der extremen Linken organisiert wurden, verschärften die allgemeine Armut. Die Industriestädte litten am meisten, da sie nur sehr karge Lebensmittelrationen erhielten. Diese lagen weit unter denen des Zweiten Weltkriegs und denen von Gierek und Jaruzelski. Hinzu kamen eine galoppierende Inflation und die Ausbreitung verschiedener Banden, wie die von Hajoka aus Zabrze, vor der jeder Angst hatte. Mit einem Wort, die Beschreibung dieser Zeit ist erschütternd.
Und hier ist, was Robert Kurpiun auf den Seiten seines Tagebuchs über die Bewegung für die Unabhängigkeit oder sogar die Unabhängigkeit von Oberschlesien zu dieser Zeit aufgezeichnet hat, auch in Tarnogórska.
In einem Auszug aus „Gold und Blut“ vom 9.12.1918, Seite 101, schreibt der Autor, dass er nach einer Woche Abwesenheit in der Stadt (Tarn. Gór) ankam und seine Kinder, die zum Bahnhof gekommen waren, um ihn zu begrüßen, ihm mitteilten, dass in der Stadt die Gründung einer deutsch-polnischen schlesischen Republik verkündet worden sei. R. Kurpiun konnte es einfach nicht glauben, zumal er selbst an der Propaganda auf deutscher Seite beteiligt gewesen war.
Und tatsächlich, an allen Straßenkreuzungen klebten gelbe Plakate, die sich auf Deutsch und Polnisch mit folgenden Worten an ihre Leser wandten:
„Weg von Berlin, von Kultusminister Hoffmann, der die Kirche zerstören und das Schulgebet abschaffen will, alles Katholische und Christliche abschaffen will.
Schlesien soll eine eigene Republik werden, frei von Preußen, aber innerhalb des Reiches, mit Polnisch als zweiter Amtssprache“.
Die Organisatoren dieses Vorhabens, schreibt Kurpiun, hofften, nicht nur die „preußischen“, sondern auch die „österreichischen“ Oberschlesier aus der Gegend von Cieszyn und Bielsko dafür zu gewinnen und zu verhindern, dass es in polnische Herrschaft übergeht.
Und er schreibt weiter, dass dieser Plan etwas Verlockendes, Suggestives enthielt. Er zog sogar deutsch-protestantische Kreise an. Allerdings fehlte ihm eine Grundlage. Vor allem fehlte es an finanzieller Unterstützung und an einer entschlossenen Führung, die in der Lage war, alle Schlesier hinter sich zu bringen. Wahrscheinlich endete sie deshalb mit diesen gelben Plakaten, die nicht viel über Tarnowskie Góry hinausreichten.
Zwanzig Tage später, am 28. Dezember 1918, kommt R. Kurpiun in einem Beitrag mit dem Titel „Dunkle Weihnachten“ auf das Problem des „Freien Oberschlesiens“ zurück. Er stellt fest, dass sich die öffentliche Meinung spaltet und im Dunkeln nach einer rettenden Lösung auch für Oberschlesien sucht. Dies erklärt seiner Meinung nach die zunehmende Propaganda für einen unabhängigen „Freistaat Oberschlesien“. Das heißt, nicht an das Reich angeschlossen, völlig unabhängig, nach dem Vorbild der Schweiz.
Ein zweisprachiges Flugblatt, das dafür wirbt, wurde in verschiedenen, vor allem zentristischen, d.h. katholischen, Zeitungen eingelegt. Und Robert Kurpiun zitiert es ohne Abkürzung, und ich gebe es in wörtlicher Übersetzung an den Leser weiter:
„Oberschlesier! Freiheit, Freiheit, schreit heute jeder in der Welt! – Oberschlesier! Die Stunde der Freiheit ist auch für euch gekommen. Bis jetzt wurdet ihr verachtet. In Preußen wurden wir oft als Bürger zweiter Klasse angesehen. In Polen lachte man uns verächtlich aus, besonders wenn wir schlesisch sprachen.
Und heute, liebe Landsleute, was passiert da! Jetzt will man uns aus Liebe fast erwürgen. Ein ehemaliger Schreiberling schreit auf: Liebes, gutes Oberschlesien! Bleib bei uns Preußen. Wir werden dir ein schönes Haus mit eigenem Garten bauen, jeder wird in seiner Muttersprache lernen, singen, spielen, beten und betteln können, wie er will. Landsleute (!) aus dem neu entstandenen Polen rufen: Neffen, kommt zu uns, wir haben euch immer so sehr geschätzt und geliebt! Bei uns bekommt ihr zwei Kühe und 20 Morgen Land, Fett und Omelett. Ihr werdet wie Würmer im Fleisch leben.
- Warum so viel Liebe von allen Seiten auf einmal?
- Deshalb lieben sie uns so sehr, weil unser liebes Oberschlesien so reich an Schätzen ist. Diese Schätze wollen die Deutschen nicht verlieren, und die Polen wollen sie bekommen. Du siehst, diese Liebe gilt nicht dir, nicht deinem Herzen, sondern vor allem den Schätzen unseres Landes.
Oberschlesier, wollen wir sie weiter verschenken, wollen wir weiter Tag und Nacht hart arbeiten, um sie in tiefen Schächten abzubauen, um harten Kalkstein zu brechen, um Zementstaub einzuatmen, um in glühenden Öfen vor Hitze zu sterben?
Soll ein Bauer seine Produkte, die er wie vor dem Krieg aus dem Boden gepflückt hat, für ein paar Pfennige verkaufen, damit andere Länder ihre Kultur verbessern, während wir herablassend mit ein paar Brosamen abgespeist werden?
– Sollen die Oberschlesier weiterhin mit ihren großen Familien in hohen, stinkenden, in ein oder zwei Zimmern eingepferchten Familienhäusern leben?
Sollen unsere Kinder weiterhin in Schulen unterrichtet werden, in denen sie kein Wort ihrer Muttersprache hören, und aus denen Religion und Kreuze entfernt werden sollen? Sollen wir Oberschlesier uns jenen Staaten anschließen, die unsere katholische Kirche verfolgen, Staaten, die von gottlosen Menschen geführt werden?
In Preußen hat das Kultusministerium bereits die Trennung von Kirche und Staat angekündigt. In Warschau wird der neu gebildete Staat von Pilsudski geführt, einem Mann mit denselben Überzeugungen, der der Kirche feindlich gesinnt ist.
Gläubige von Oberschlesien! Wollt ihr euer zeitliches und ewiges Leben für mehrere hundert Jahre in solch unglückliche Hände legen? Niemals!
Wacht auf, Oberschlesier! Zeigt eure Stärke, die während des Krieges der ganzen Welt bekannt wurde, Mut. Haltet euch für reif genug, euch in einem unabhängigen Land selbst zu regieren!
In unserem eigenen unabhängigen Staat wird der ganze Reichtum Oberschlesiens zuerst euch dienen. Dann werden wir uns Häuser bauen können, Schulen einrichten, in denen die Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, Schulen, in denen das Kreuz noch die Wände schmücken kann und in denen die Jugend im Geiste der Kirche im christlichen Glauben und in den Sitten erzogen wird, damit sie nicht noch mehr verdirbt. In diesem freien Staat wird sich die Kirche, unterstützt von der Regierung, so prächtig wie möglich entwickeln können. In diesem unabhängigen Land dürfen Kirchen und Klöster, aber auch Privatpersonen nicht enteignet werden.
Gerechtigkeit und christliche Nächstenliebe sollen dort herrschen, zur Freude aller.
Oberschlesier, wollt ihr das auch? – Ja, wir wollen es von ganzem Herzen! Aber ist es auch möglich? Wenn es in der Schweiz möglich ist, ist es in einem so reichen Industrieland wie Oberschlesien erst recht möglich.
Wir werden Wilson, einen gerechten Mann, bitten, uns dabei zu helfen. Und wir alle werden bei der Volksabstimmung unsere Stimme für einen unabhängigen oberschlesischen Staat abgeben“.
Das Ende des Textes dieses Flugblattes, das im Dezember 1918 in Umlauf gebracht wurde.
Robert Kurpiun fasst diese Passage aus seinem Roman „Über dem Abgrund“ wie folgt zusammen:
„Also der kirchliche Staat Oberschlesien! Die Karten sind aufgedeckt worden. Viele Irrtümer und ein Körnchen Wahrheit. Wieder ein Beispiel für einen Mann, der sich zwischen zwei Stühle setzte. Sehr unpassend, denn beide Stühle waren besetzt und es war kein Platz dazwischen. – Nein, das ist nicht möglich!“
Mein Kommentar: Die Zukunft gab Kurpiun recht. Aber im Dezember 1918 kannten der oder die Verfasser dieses Flugblattes, und ich glaube, es war ein katholischer Geistlicher, den Entwurf des „Friedensdiktats“ noch nicht. Erst durch eine am 19. Juni 1919 veröffentlichte Rahmennotiz erfuhr Deutschland, was auf es zukommen würde. Unter anderem, dass in Oberschlesien ein Plebiszit abgehalten werden würde, allerdings mit nur zwei Alternativen:
- ob Sie für die Zugehörigkeit Oberschlesiens zu Deutschland sind oder
- ob Sie dafür sind, dass Oberschlesien Teil von Polen wird.
Die dritte Alternative „für ein unabhängiges Oberschlesien“ wurde nicht aufgenommen.
R. Kurpiun hatte auch Recht, als er sagte, dass diese dritte Alternative keine finanzielle Unterstützung hatte. Und, wie ich hinzufügen möchte, noch weniger eine militärische. Sie war nur der segensreiche Wunsch der Mehrheit der Einwohner Oberschlesiens, und das reichte nicht aus, um sie zu verwirklichen. Die Hoffnungen, die in Wilson gesetzt wurden, erwiesen sich als vergeblich. Das von ihm verkündete Selbstbestimmungsrecht blieb nur auf dem Papier. In der Praxis setzte sich die französische Position durch, die im „Versailler Diktat“ vom 28. Juni 1919 zum Ausdruck kam, das immer noch oft als „Versailler Vertrag“ bezeichnet wird, was natürlich unlogisch ist, weil es nicht von den beiden Vertragsparteien unterzeichnet wurde, sondern von den siegreichen Alliierten, die den besiegten Deutschen ihren Willen – ihre Forderungen – diktierten und sich von den Deutschen mit ihrer Unterschrift bestätigen ließen, dass sie es (sie) zur Kenntnis genommen hatten und es umsetzen wollten. „Es ist also nachweislich wahr.“
Herr P. Nadolski, ich danke Ihnen, dass Sie mich auf diesen interessanten Schriftsteller aus meiner Heimatstadt aufmerksam gemacht haben!
Henryk Sporoń
Nachtrag
DER FREISTAAT OBERSCHLESIEN
Da sich die obigen Ausführungen hauptsächlich mit der Idee der Unabhängigkeit Oberschlesiens befassen, die nach dem Ersten Weltkrieg propagiert wurde, denke ich, dass die Leser der „Jaskółka“ sowie der Autor der obigen Ausführungen, Herr Henryk Sporoń, an einer kurzen Klärung einiger Details aus dieser turbulenten Zeit der Geschichte interessiert sein werden.
Die Bezeichnungen „Freistaat Oberschlesien“ und „Republik Oberschlesien“ wurden sowohl von den Befürwortern der Unabhängigkeit als auch von den Befürwortern eines von Preußen getrennten autonomen Reichsstaates nach bayerischem Vorbild verwendet (der vollständige Name dieses heutigen Bundeslandes lautet übrigens Freistaat Bayern). Diese Tatsache hat viele Autoren dazu veranlasst, diese beiden völlig unterschiedlichen Begriffe zu verwechseln. Dies ist nicht anders als im Fall von R. Kurpiun, der den deutschen Autonomisten den Wunsch zuschrieb, Teschener Schlesien zu erwerben. Was nicht logisch ist, da es ja keine Möglichkeit gab, dass das besiegte Deutschland sein Gebiet noch um das österreichische Schlesien erweitern würde.
Die Idee der Autonomie innerhalb des Reiches wurde damals sowohl von den örtlichen Zentrumsführern, angeführt von Pater Skowronek und Pater Ulitka, als auch von den oberschlesischen Sozialdemokraten (SPD) – Kotulla und Wolff – geäußert. Letztere waren auch die Urheber der gelben Plakate, die am 9.12.1918 Tarnowskie Góry überschwemmten. Es ist für mich unverständlich, warum R. Kurpiun behauptet, dass die Idee mit diesen Plakaten endete, wo doch die Berliner Behörden sie sehr ernst nahmen und den Oberschlesiern ein Referendum in dieser Angelegenheit versprachen. Die Volksabstimmung fand nach der Teilung des Volksabstimmungsgebietes am 3.09.1922 in der deutschen Provinz Oberschlesien statt, deren Einwohner, die durch die absurde Zerstückelung ihrer Heimat am Boden zerstört waren, mit 91% gegen die volle Autonomie stimmten. Die Frage nach dem Status Oberschlesiens als autonomer, von Preußen ausgeschlossener Staat Deutschlands stellte sich also erst im September 1922, und zwar aufgrund eines solchen Willens der betroffenen Bevölkerung selbst, der durch die Teilung der Volksabstimmungsgebiete hervorgerufen wurde.
Andererseits wurde ein Flugblatt, das im Dezember 1918 den beiden zentristischen Zeitschriften „Oberschlesischer Kurier“ (Nr. 294 vom 20.12.1918) in Königsberg und „Oberschlesische Zeitung“ (Nr. 293 vom 19.12. 1918) in Bytom, die hier von Herrn Sporonio vollständig zitiert wurde, war das Material des Oberschlesischen Komitees, das in Rybnik von einem Rechtsanwalt aus Wodzisław – Dr. Ewald Latacz, einem Pfarrer aus Rybnik – Pfr. Tomasz Regink und seinem Lehrerbruder aus Racibórz – Dr. Jan Regink gegründet wurde. Wie Herr Sporoń richtig vermutet hat, war der Verfasser des Flugblatts selbst ein Priester. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass die dort verwendete Rhetorik ihre Fortsetzung in den von Pater Tomasz Regink verfassten Werken fand. Mich persönlich hat jedoch der Unterschied in vielen Formulierungen zwischen dem Inhalt des von Robert Kurpiun zitierten Flugblatts und dem mir aus der Studie von Przemyslaw Hauser bekannten Inhalt überrascht. Es gibt einen offensichtlichen Unterschied zwischen dem nach Kurpiuń zitierten Satz: „Gläubige des oberschlesischen Volkes!“ und dem von Hauser, der an der gleichen Stelle steht: „Und ihr Oberschlesier!“. Kann es sein, dass es einen solchen Unterschied zwischen dem polnischen und dem deutschen Text dieses Flugblattes gab? Vielleicht, aber ich vermute eine Manipulation seitens des deutschen Plebiszit-Aktivisten, da die überwiegende Mehrheit der polnischen und deutschen Studien feststellt, dass die Befürworter eines souveränen oberschlesischen Staates von einem polnisch-deutsch-katholischen Staat sprachen, ohne die schlesische Nation zu erwähnen, während die Lektüre von zwei Jahrbüchern (1920-1921) der Wochenzeitung Bund-Związek mich zu der Schlussfolgerung berechtigt, dass die Mitglieder der Oberschlesischen Vereinigung die Schaffung eines schlesischen Nationalstaates anstrebten.
Die Haltung der protestantischen Adeligen jener Zeit, die die Idee der Unabhängigkeit unterstützten, wie die oberschlesischen Fürsten Jan Henryk XV. von Pszczyna, von Donnersmarck von Bytom oder von Lichnowsky von Racibórz, die Unterstützung für die Staatlichkeit Oberschlesiens, die lokalen protestantischen Industriellen (z. B. Werners, Williger) und die enge Zusammenarbeit zwischen dem „Freistaat“ und den Evangelischen in Těšín Silesia, beweist, dass der Freistaat Oberschlesien nur im Text dieser ersten Flugschrift kirchlich geblieben wäre. Dies beweisen auch die Entwürfe von Dr. Jan Regink für eine politische Lösung nach Schweizer Vorbild, die keine radikalen konfessionellen Konzepte vorsahen. Es ist also klar, dass R. Kurpiun die Wochenschrift der Bundesvereinigung einfach nicht gelesen hat, da er ein begeisterter Verfechter des deutschen Oberschlesiens war.
1919 gewann das Oberschlesische Komitee Franz Erhardt, die Gebrüder Wenske von den Königlichen Stahlwerken, den Abgeordneten J. Musioł aus Bytom, Horaczek aus Zabrze und Janecki aus Ruda (Śląska) für die Idee der Unabhängigkeit und verwandelte sich bald in die Oberschlesische Union von mindestens 150.000 Menschen mit Sitz in Bytom, die die Unabhängigkeit Oberschlesiens forderten, obwohl sie wussten, dass der Versailler Vertrag diese Möglichkeit nicht vorsah. Diese Organisation wollte den „preußischen“ und den „österreichischen“ Teil Oberschlesiens in einem einzigen staatlichen Organismus vereinen und unterhielt zu diesem Zweck enge Kontakte zu Józef Kożdon, dem Führer der Schlesischen Volkspartei. Dem Verfasser des Konzepts der schlesischen Staatlichkeit, der sich auf viele Schweizer Vorbilder, Jan Regink und Fritz Wenske, stützte, gelang es, die Unterstützung der Tschechoslowakei zu gewinnen. Andererseits gelang es Johann Heinrich XV., Herzog von Pszczyna, der die Organisation finanziell unterstützte, die Idee eines nahe gelegenen oberschlesischen Staates zu überzeugen – die Briten. Obwohl die Amerikaner, auf deren Unterstützung man so sehr hoffte, die schlesische Unabhängigkeit befürworteten, überließen sie die Angelegenheit bereits 1919 den Briten und Franzosen. Letztere wiederum argumentierten, dass Polen und die Tschechoslowakei als Puffer gegen die Flut des Kommunismus gestärkt werden sollten. Die Briten, die sich dieser Argumentation anschlossen, gaben die Unabhängigkeit Oberschlesiens auf und überließen den Deutschen im Gegenzug einen Teil des Oberschlesischen Industriebezirks, d. h. Beuthen, Zabrze und Gleiwitz, die nach der von den Franzosen vertretenen Korfanty-Linie ebenfalls an Polen fallen sollten.
Was die Chance auf die Unabhängigkeit Oberschlesiens zunichte machte, war nicht die finanzielle Schwäche des Oberschlesischen Verbandes, die im Vergleich zu Organisationen, die aus den Staatshaushalten der Polnischen Republik und des Deutschen Reiches finanziert wurden, offensichtlich war, denn so schlecht war sie nicht. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass die Wochenzeitung Bund-Związek („für den Freistaat Oberschlesien“) 1921 eine Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren hatte und somit praktisch allen Oberschlesiern zugänglich war. Auch die offensichtliche Schwäche der anderen Organisationen, die hier die Schaffung eines eigenen Staates forderten, war nicht zu beklagen. Die damaligen Unabhängigkeitsaktivisten verloren sich im Legalismus, in der Erwartung von Gerechtigkeit durch die Politiker der Großmächte. Hätte man damals die vollendeten Tatsachen in die Tat umgesetzt und die Gründung einer souveränen oberschlesischen Republik verkündet (wie es z.B. die einheimischen Offiziere von Korfanty während des Dritten Aufstandes gefordert hatten), hätten sowohl die Alliierten als auch die Nachbarn dies akzeptieren müssen. So aber war das Veto Polens, Deutschlands und vor allem Frankreichs entscheidend. Die Union der Oberschlesier selbst, die ihren Sitz in Beuthen hatte, stellte ihre Tätigkeit 1923 ein, wenige Monate nach der bereits erwähnten verlorenen Volksabstimmung über die Autonomie.
In einem historischen Punkt hat Herr Sporoń mit seiner Aussage, der Vertrag von Versailles sei kein Friedensvertrag, sondern ein Diktat der Alliierten gewesen, wahrscheinlich nicht alle Fakten berücksichtigt. Das Wort Diktat trifft genau auf die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg zu, als das besetzte Deutschland infolge der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation absolut nichts mehr zu sagen hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg hingegen hätte Deutschland den Vertrag ablehnen und die Feindseligkeiten wieder aufnehmen können. Dies wird eindeutig durch die Tatsache bestätigt, dass die erste Fassung des Versailler Vertrags, die der Tschechoslowakei den Kreis Głubczyce und Polen fast die gesamte Region Opole ohne die Kreise Nysa, Grodków, Prudnice, Niemodlin und Głubczyce zusprach, von den Behörden des besiegten Deutschlands sofort abgelehnt wurde, die lediglich zustimmten, der Tschechoslowakei den südlichen Teil des Kreises Racibórz (Kreis Hulčín) und Polen die östlichen Teile der niederschlesischen Kreise Namysłów und Syców zuzusprechen. Was den Großteil der oberschlesischen Gebiete betrifft, so stimmten alle interessierten Parteien (darunter auch Deutschland, das zwar als Verlierer dasteht, aber dennoch auf die Unterstützung der Oberschlesier zählen kann) einer Volksabstimmung ohne jeden Widerstand zu, so dass von einem Diktat niemandes die Rede sein kann. Es versteht sich jedoch von selbst, dass alle Friedensverträge sich nur auf offensichtliche territoriale und finanzielle Zugeständnisse (Kriegsreparationen)
an die besiegte Seite beziehen, denen diese zustimmen kann oder nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen kann man nur von einem Diktat der Alliierten sprechen, da Deutschland keinerlei Möglichkeit hatte, sich der Rücknahme von ganz Schlesien, Pommern und Ostpreußen zu widersetzen.
Dariusz Jerczyński (03.2002)
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Anmerkung der Redaktion:
Dieser Artikel wurde ursprünglich im März 2002 in polnischer Sprache auf den Webseiten der Bewegung für Autonoomie Schlesiens (jetzt Autonomia.pl) veröffentlicht. Die deutsche Version wurde mit deepl.com erstellt und kann Fehler enthalten. Maßgeblich ist die polnische Fassung.