Oberschlesien in der Aufstandszeit (1)
Karl Hoefer Oberschlesien in der Aufstandszeit 1918-1921, Erinnerungen und Dokumente von Karl Hoefer Generalleutnant a.D..
So beginnt das Buch von Karl Hoefer Oberschlesien in der Aufstandszeit 1918-1921, Erinnerungen und Dokumente von Karl Hoefer Generalleutnant a.D., mit 5 Skizzen im Text, 1938, Verlag von E. G. Mittler & Sohn / Berlin
Auszüge
Den Opfern für das Deutschtum Oberschlesiens gewidmet
Vorwort
Nach Kriegsende 1918 bis zur interalliierten Besetzung des oberschlesischen Abstimmungsgebietes Anfang 1920 war ich mit der mir unterstellten 117. Infanterie – Division, späteren Kleinen Reichswehr – Brigade Nr. 32 (117. Inf. Div.), im Grenzschutzdienst in Oberschlesien tätig. Im Jahre 1920 befehligte ich mehrere Reichswehrstellen im unbesetzten Schlesien. An der Volksabstimmung im März 1921 nahm ich als gebürtiger Oberschlesier teil. Von Mitte Mai des gleichen Jahres ab während des dritten Aufstandes leitete ich den Selbstschutz Oberschlesien. Somit hatte ich als Augenzeuge oder naher Beobachter Einblick in die damaligen oberschlesischen Vorgänge. Über diese ist viel geschrieben und geredet worden, wobei sich gezeigt hat, dass die Darstellungen in wesentlichen Punkten voneinander abweichen und auch nicht frei von Irrtümern sind. Die persönlichen eindrücke und Auffassungen sind subjektiv eben verschieden. Auch bezüglich der wichtigen Frage, ob der Selbstschutz Oberschlesien seine Aufgabe zum Vorteil des Vaterlandes besser hätte lösen können, sind die Ansichten bis in die Gegenwart geteilt. Wenn auch durch Reden und Schriften hierüber nie restlose Klarheit geschaffen werden kann, so haben doch die Oberschlesier, die so viel gelitten, ein Anrecht darauf, über die damaligen Zusammenhänge von damals verantwortliche Seite Aufklärung zu erhalten. Das Bewusstsein der Pflicht, hierzu beitragen zu müssen, ist der alleinige Zweck des vorliegenden Buches. Besondere Umstände verhinderten ein früheres Erscheinen. Die Darstellung konnte mit Rücksicht auf den Umfang des Buches nicht die Verdienste aller bringen, und sie musste sich auch öfter auf auszugsweise Wiedergabe beschränken. Doch sind, glaube ich, die wesentlicheren Ereignisse und Zusammenhänge mit genügender Ausführlichkeit behandelt worden. Den Lesern bleibt es überlassen, sich selbst ein Urteil über strittige Fragen zu bilden.
Auszug 2
Die Aufzeichnungen schildern als nüchterner Tatsachenbericht den realen Hergang der Ereignisse unter Berücksichtigung der politischen und militärischen Verhältnisse so, wie sie sich mir damals dargestellt hatten und geben die Eindrücke wieder, die ich empfangen , sowie meine Auffassung, mein Denken und – soweit ich unmittelbar beteiligt war – mein Handeln. Sie zeigen nur einen Ausschnitt der Leidensgeschichte Oberschlesiens in der Nachkriegszeit. Aus ihr ist insofern ein Segen für ganz Deutschland erwachsen, als die inmitten tiefster Knechtschaft und Schande dort vollbrachten zahlreichen Beispiele edeler Volks- und Vaterlandsliebe und opferwilliger Taten den heldischen Gedanken wieder wachgerufen hatten und eine Keimzelle für die nationale Erhebung geworden sind.
Die Teilung Oberschlesiens sollte Deutschland und Polen in dauerndem Unfrieden halten. Zwölf Jahre seitdem waren auch erfüllt von leidenschaftlicher politischer Fehde der beiden Nachbarvölker bis die zielklare Friedenspolitik unseres Führers und Reichskanzlers, Adolf Hitler, und des Marschalls Pilsudski den deutsch-polnischen Beziehungen eine andere Einstellung gegeben hat. Möchte es die Einleitung einer besseren Epoche sein und es bald gelingen, die noch bestehenden Gegensätze zu beseitigen. Coburg, Herbst 1937
Auszug 3
Vorgeschichte.
Viele Jahrhunderte stellte Oberschlesien im wesentlichen eine geographische Einheit dar: Die Grenze wurde nach Osten von der Wasserscheide zwischen Oder und Weichsel, nach Westen durch das böhmische Gebirge gebildet. Der Oderstrom teilte es in eine östliche und eine kleinere westliche Hälfte. Vor der Völkerwanderung im 4. Jahrhundert nach Christi ist es von Germanen (Lygiern oder Vandalen) bewohnt gewesen. Als ihr größter Teil nach Westen gezogen, war es lange menschenarmes Land, in dem sich allmählich immer mehr Slawen festsetzten. 999 wurde es gewaltsam dem polnischen Reiche eingefügt, gehörte ihm aber nur bis 1163 an. Von da ab bestand nur ein loser Zusammenhang mit Polen. Im 13. Jahrhundert setzte deutsche Wiederbesiedlung ein, die für die Geschichte Oberschlesiens von größter Bedeutung wurde. Die deutschen Kolonisten gaben Oberschlesien die kulturelle und wirtschaftliche Wertorientierung, die im Trentschiner Vertrage 1335, also etwa 100 Jahre später, ihre politische Bestätigung fand; denn durch diesen Vertrag verzichtete Polen für ewige Zeit auf alle schlesischen Lande, und so wurde Oberschlesien auf friedlichem Wege dem deutschen Reiche einverleibt. Wohl hat seitdem die Herrschaft der regierenden Häuser über Oberschlesien gewechselt – Böhmen, Ungarn und seit 1526 die Habsburger – aber immer gehörte es zum deutschen Staatenverband. Friedrich der Große brachte es in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Schlesischen Kriege zu Preußen, nachdem ihm seine berechtigten Erbansprüche von den Habsburgern verweigert worden waren. Seitdem war das Land ein unbestrittener Bestandteil Preußens, eine Tatsache, mit der sich auch Österreich vollkommen abgefunden hatte. Seitdem war das Land ein unbestrittener Bestandteil Preußens, eine Tatsache, mit der sich auch Österreich vollkommen abgefunden hatte. Über 600 Jahre hat also Oberschlesien im Verband des Deutschen Reiches gelebt, mit dem es geographisch, geschichtlich, kulturell und wirtschaftlich auf das engste verbunden ist und zu dem es alle Zeit treu gehalten hat im guten und in bösen Zeiten.
Auszug 4, Seite 1
Wie eine Halbinsel ragt Oberschlesien in slawisches Gebiet (Polen und Tschechen) hinein. Seine Bewohner sind ein germanisch – slawisches Mischvolk, ihre Sprache ist deutsch und wasserpolnisch (ein Gemisch von polnisch und deutsch), erstere vorherrschend in den Städten, letztere besonders in den östlichen und südlichen Teilen des platten Landes. Mit Polen bestand keinerlei volkliche Verbindung. Auch die wasserpolnisch sprechenden Oberschlesier fühlten und handelten deutsch, waren stolz drauf, deutsch zu sein und lehnten eine Gemeinschaft mit den Kongresspolen und Galiziern ab. Nie im Laufe dieser jahrhundertelangen Entwicklung – auch nicht in den Zeiten tiefster deutscher Ohnmacht, wie nach dem dreißigjährigen Krieg oder zur Napoleonischen Zeit – ist je der Gedanke aufgetaucht, Oberschlesien von deutschen Reich oder von Preußen zu trennen und zu Polen zu schlagen. Wäre in Oberschlesien nationalpolnische Gesinnung vorhanden gewesen, dann hätte die nationale Begeisterung, die bei den polnischen Aufständen 1830, 1846, 1848 und 1863 überall da, wo Polen waren, herrschte, doch auch auf das benachbarte Oberschlesien übergreifen müssen, aber dort blieb alles ruhig. Allen polnischen Bestrebungen standen die Oberschlesier teilnahmslos oder geradezu feindselig gegenüber. Sechshundert Jahre gemeinsamen Erlebens haben Deutschland und Oberschlesien zu einer engen Schicksalsgemeinschaft zusammengefügt. Das fehlen der einheitlichen Sprache als Bindemittel war ein erheblicher Nachteil, und eine nicht immer kluge und öfter wechselnde Kulturpolitik ließen dieses Land zu keiner wahren Einheit kommen. Die Sprache allein aber bezeichnete in Oberschlesien nicht auch die Kulturzugehörigkeit oder gar die politische Willenskundgebung. In den Schulen wurde deutsch unterrichtet, aber die Polnischsprachigen wurden nicht gehindert, sich ihrer Sprache zu bedienen, die auch von den Deutschen in der Regel gelernt wurde. Infolgedessen trat eine starke Vermischung beider Elemente ein. Beide fühlten sich als Preußen und legten Wert darauf, keinen Unterschied zwischen einander zu kennen. In völkischem Grenzland haben die Oberschlesier allmählich eine eigene Prägung erhalten. In ihrer Art findet sich das Gegensätzlich von Deutschen und Slawen vereint. Etwa 88% der Bevölkerung des Landes sind katholisch und namentlich die wasserpolnisch sprechenden Oberschlesier zeichnet ein ergreifender Ernst des religiösen Empfindens aus. Preußen hat beiden kirchlichen Bekenntnissen und beiden Nationalitäten volle Freiheit gelassen und ihnen Schutz und gerechte Behandlung gesichert. Einen wohlhabenden Bauernstand gab es in Oberschlesien nicht, da der größte Teil des Landes Großgrundbesitzern gehörte.
Auszug 5, ab Seite 2
Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren die Lebensbedingungen auf dem wenig fruchtbaren, von großen Waldungen bedeckten Boden östlich der Oder die denkbar kläglichsten. Dass gerade dieser Teil wertvolle Bodenschätze barg, war zwar schon vor der Jahrhundertwende bekannt, aber der oberschlesische Bergbau führte lange Zeit ein kümmerliches Dasein. Erst Friedrich der Große bracht neben vielen anderen kulturellen Schöpfungen auch in den Bergbau frisches Leben. 1788 wurde die erste Dampfmaschine des Kontinents bei Tarnowitz aufgestellt; 1796 erhielt die Gleiwitzer Hütte den ersten Koks-Hochofen des europäischen Festlandes. In den Befreiungskriegen 1813/15 war Oberschlesien Preußens Waffenschmiede. Seine berg- und hüttenmännische Industrie: Steinkohle, Zink, Blei, Eisen, Portlandzement, Kalk, Holzstoffe, Braunkohle – nahm nun einen immer steigenden Aufschwung. Diese machtvolle Industrie hat Oberschlesien, ebenso, wie seine glänzende Forst- und Landwirtschaft, seine wohlgeordneten Städte und Dörfer, seine ganze Kultur und staatliche Ordnung einzig und allein deutscher Intelligenz zu danken. Alles in diesem Lande ruht auf deutschen Fundament. Alles, was es war und hatte verdankte es deutscher Kraft, deutscher Wissenschaft, deutscher Technik, deutschen Mitteln. Nichts aber auch rein gar nichts hatte es von Polen erhalten.
Auszug 6
Jedem, der den preußischen Osten und seinen östlichen Nachbarn kannte, drängte sich der ungeheure Unterschied in der geistigen Höhe seiner Bewohner und dem Kulturzustand des Landes zu unseren Gunsten auf; es zeigte, dass der Beweisgrund unserer Feinde, wir hätten unsere polnisch sprechende Bevölkerung vernachlässigt und unterdrückt, eine durch die Tatsachen klar widerlegte Unwahrheit war. Dem polnischen Volke jenseits der ehemaligen Grenzen soll mit der verstehenden Feststellung der Minderwertigkeit aber keinesfalls etwa ein Vorwurf gemacht werden. Das Kongreßpolen der Vorkriegszeit war von seinen Machthabern, den Russen, absichtlich im Zustand der Unkultur und Verwahrlosung gehalten worden, da im Kriegsfall das Land links der Weichsel eindringenden Feinden zunächst preisgegeben und diesen das Vorrücken in ihm nach Möglichkeit erschwert werden sollte. Auch der österreichische Staat hatte Galizien schlecht behandelt und sehr wenig für seinen kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt getan. Seit der Befreiung Polen von diesen Fremdherrschaften hat es unter der zielbewussten und kraftvollen Führung des Marschalls Pilsudski einen erstaunlich großen Aufschwung genommen, und man möchte dieses Land und diese Leute in ihrer Metamorphose jetzt kaum noch wiedererkennen.
Infolge des raschen wirtschaftlichen Aufschwunges im vorigen Jahrhundert reichte die einheimische Bevölkerung Oberschlesiens nicht mehr aus, es erfolgte ein starker Zustrom aus dem Reich. Die gebildeten Schichten waren zumeist evangelische Deutsch, die große Masse aber bildeten katholische Polen aus Galizien und Kongreßpolen des Arbeiterstandes, die anspruchsloser waren als deutsche Arbeiter. Mit der Zunahme der großpolnischen Elemente entwickelte sich immer mehr eine großpolnische Propaganda in Oberschlesien, welche das bisher so friedliche Einvernehmen seiner Bewohner immer empfindlicher störte. Es ist ebenso bedauerlich wie beschämend feststellen zu müssen, dass die preußischen Verwaltungsbehörden in Oberschlesien ebenso wie die Zentralstellen in Berlin und auch die Leiter der großen Industrieunternehmungen und Bergwerke trotz mancher Warnungen vor dem Kriege die Gefahren nationalpolnischer Einwanderung und der polnischen Propaganda nicht erkannt hatten. Aber auch als diese Erkenntnis zu dämmern begann, fehlte der zielbewusste Entschluss zu tatkräftigem Handeln. Der Nationalpole entdeckte, nachdem deutscher Geist und Fleiß das Land entwickel und reich gemacht hatten, seine brüderlichen Gefühle für die bisher von ihm nicht beachteten Oberschlesier. Seit Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde die polnisch-nationalistische Agitation künstlich nach Oberschlesien hineingetragen, obgleich selbst der durchaus polnisch gesinnte Erzbischof von Posen von Stabelewski 1892 ausdrücklich öffentlich davor gewarnt hatte: „Oberschlesien, das über 700 Jahren von Polen tatsächlich und rechtlich abgetrennt ist, in den Kreis der polnischen Agitation zu ziehen.“
Auszug 7
Die Geldmittel lieferte den Polen unter anderem die Marczinkovski – Stiftung. Unauffällig wurden neben der starken polnischen Einwanderung an Arbeitern polnische Intellektuelle: Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker usw. zumeist aus Posen nach Oberschlesien gezogen und unter dem Deckmantel geselliger und Kultureller Bestrebungen wurden Vereine gegründet, in denen das Gefühl der Sehnsucht zu Vereinigung mit der Mutter Polen erweckt und geschürt wurde. Sie identifizierten die Begriffe polnisch und katholisch, sowie deutsch und evangelisch und redeten dem streng gläubigen, naiven Volke ein, dass nur eine Polen ein wahrer katholischer Christ sein könne. Die Begehrlichkeit der Massen wurde dadurch angestachelt, dass man jedem, der die polnische Sache unterstütze, eine Kuh und Landzuwachs versprach. Etwas von 1908 ab wurde ebenso wie in den ehemaligen Landesteilen (Posen und Westpreußen) auch in Oberschlesien eine geheime polnische Militärorganisation, besonders in den Sokol (eigentlich Sokół) (Turn- und Sport) – Vereinen gepflegt. Es ist schon wahr, wenn sich die Polen jetzt rühmen, dass von den vielen Staaten, die durch den Weltkrieg ihre Unabhängigkeit erlangt haben, nur Polen allein sich vor dem Kriege darauf vorbereitet hatte, seine Unabhängigkeit mit den Waffen zu erringen. Innerhalb der deutschen Grenzen zeigt man unterwürfige Loyalität, bei Wallfahrten usw. nach großpolnischen Orten aber tobte sich der Deutschenhass ungehindert aus. Ebenso wie die Religionsfragen nutzten die Polen den fast permanenten sozialen Kampf in Oberschlesien zielbewusst für ihre Zwecke aus. Da die höheren Schichten der Bevölkerung fast alle deutsch warn, die wasserpolnisch sprechenden zumeist zu den Minderbemittelten gehörten, wurde die Parole: deutsch – evangelisch – reich, polnisch – katholisch – arm aufgestellt und hetzerisch ausgenutzt. Dass diese antideutsche Propaganda Erfolg hatte, zeigte sich deutlich bei den Reichstagswahlen. Eine von ganz falschen Voraussetzungen ausgehende Sprachenstatistik von 1910 hatte unglaublicherweise noch erheblich mehr polnisch sprechende Oberschlesier ergeben, als die letzten Wahlziffern. Die Bezeichnung der oberschlesischen sogenannten wasserpolnischen Sprache schlechthin als „polnisch“ in offiziellen deutschen Büchern und so weiter war ein verhängnisvoller Irrtum und auch wissenschaftlich gar nicht zu rechtfertigen.
Auszug 8
In den letzten Jahren der Vorkriegszeit gab es in Oberschlesien drei große Parteien; Zentrum, Sozialdemokraten und Radikal – Polen. Eifrigster Abgeordneter der letzteren war Wojciech Korfanty, Sohn eines armen, loyalen Bergarbeiters aus Laurahütte, ein skrupelloser Fanatiker, ein schlauer Demagoge und ein Agitator von fortreißender Beredsamkeit, der selbst von der Tribüne des Reichstages landesverräterische Reden zum Fenster hinaus hielt. Die Regierung hatte, da sie sich selbst, ebenso wenig die Vertreter der anderen Parteien, zu aktiver Gegenwehr aufzuraffen vermochte, keinen leichten Stand, war aber durch die starke Autorität des Staates Herr der Lage.
Es kam der Weltkrieg. Wie im ganzen Reich erhob sich auch in Oberschlesien einmütig das ganze Volk. Vergessen war aller politischer, nationaler und religiöser Hader. Oberschlesiens Söhne zogen in den Kampf zu Deutschlands Verteidigung, und sie haben sich vortrefflich geschlagen. Ihre Heldentaten bleiben mit dem Ruhm deutscher Tapferkeit unlösbar vereinigt, zu dem sie nach besten Kräften beigetragen hatten. Die Riesenziffern an Kriegsfreiwilligen der wasserpolnisch sprechenden Oberschlesier wären nicht möglich gewesen, wenn sich diese als Musspreußen gefühlt hätten. Die nationalpolnischen Führer hüteten sich, zu früh ihr wahres Gesicht zu zeigen und warteten, auf welche Seite die Würfel des Kriegsglückes fallen würden. Heimlich aber setzten sie ihre Vorbereitungen für einen großpolnischen Putsch eifrig fort. Der nachherige polnische Nationalheld und große Staatsmann, Joseph von Pilsudski, eine Todfeind der Russen, begründete die von ihm schon im Frieden vorbereitete polnische Legion, mit der er auf Seiten der Mittelmächte unter schwierigen Umständen tapfer focht. Das Wohlverhalten der Polen täuscht die Mittelmächte derart, dass diese am 5. November 1916 den Polenstaat wieder ins Leben riefen. Sie rechneten auf Dankbarkeit und auf militärische Hilfe aber sie verrechneten sich stark. Kein Volk kann eben mit den Augen des Anderen sehen. Die sogenannte „Vereidigungskrise“, als die Polen sich weigerten, auf die Mittelmächte zu schwören, brachte Pilsudski auf die Festung Magdeburg, und zeigte endlich klar, dass die Legionäre usw. natürlich nur Vorkämpfer für die Freiheit Polens waren. Auf die loyale Haltung der Oberschlesier übte dies alles keinen Einfluss. Aus der Führerschaft der großpolnischen Bewegung in Oberschlesien war Korfanty wegen seiner mit Energie gepaarten Schlauheit immer mehr vorgetreten. Er war der kommende Mann, der vorher bestimmte Führer der oberschlesischen Polen. Er verstand es, die deutschen Stellen so zu täuschen, dass er sogar als ihr Vertrauensmann verwendet wurde. 1921 rühmte er sich, dass er es selbst an Widerständen gegen die deutsche Macht während des Krieges nicht hab fehlen lassen. Die Magenfrage war für die Oberschlesier immer eine Frage allererster Ordnung. Die Kriegs- und Lebensmittelnöte drückten stark auf die Stimmung der Arbeiterschaft. Nationalpolnische Agenten redeten den wasserpolnisch sprechenden Oberschlesiern ein, dass die Deutschen sie aussaugten und dass sie in dem reichen Paradies Polen alles in Hülle und Fülle haben würden. In kurzer Zeit gelang es dem Großpolentum, die im Kriege vernarbte Wunde, den Gegensatz zwischen dem deutsch und wasserpolnisch sprechenden den oberschlesischen neu aufzureißen.
Nach dem deutschen Zusammenbruch beanspruchte Polen aus „historischen“ Gründen Oberschlesien; es sei „altes polnisches Land“. Aus verstehendem ergibt sich, wie unberechtigt dieser Anspruch war.
Ausgearbeitet von Jorg auf t.me/schlesien_szlonsk
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