Oberschlesien als Brücke zwischen Polen und Deutschen
Symposium vom 8.-9. Mai 1990 in Oppeln/Polen
Vortrag vom Prof. Dr. Georg Strobel
Die ethnischen Beziehungen in Oberschlesien unter besonderer Berücksichtigung des 20. Jahrhunderts
(Fragmente, „Begegnungen 3/90“, Evangelische Akademie Mülheim/Ruhr)
… Zur Brückenfunktion Oberschlesiens und der Oberschlesier gehört ihre besondere Stellung vor 1918. In den Jahren danach in beiden Teilen des aufgesplitterten Oberschlesiens und nach 1945 im nunmehr polnischen Gesamt-Oberschlesien, wie es vorher zur deutschen Kaiserzeit eine Einheit gebildet hatte. Es ist ein leidvolles Schicksal von Menschen, das weniger aus unterschiedlichen Nationalitäten. Sondern vor allem aus der Gemengelage und der Durchgangsfunktion ihres Siedlungsgebietes für mannigfaltige politische Interessen. die auf Menschen nur wenig Rücksicht nahmen und immer noch nehmen, resultiert.
Bieniasz wies mit seinem weitreichenden Vergleich zwischen Kulturkampf und Polonisierung nach 1945, den kein deutscher Historiker in dieser Weise wagen würde um nicht böser Absichten oder politischem oder nationalem Extremismus verdächtigt zu werden – was früher durchaus getan wurde und leider noch immer geschieht, wofür auch aus dem Kreis des Oppelner Instituts bis in die allerletzte Zeit Beispiele (7) genannt werden können -, auch hierauf hin: Die vom Kollegen Lesiuk so verniedlichend allein auf das Numerische reduzierte, das betroffene Individuum ignorierende sogenannte Verifikation in Oberschlesien, die aus legitimativen Bestrebungen aus Deutschen Polen machen wollte, beendete keineswegs die Rechtlosigkeit der oberschlesischen Menschen und die Gewalt ihnen gegenüber, was sie mit ihrem mehr oder weniger erzwungenen Zugeständnis an den neuen Staat zu erreichen erhofften.
Zwar lag das ärgste Unrecht und Verbrechen, wie die Massenerschießungen der männlichen Bevölkerung, eigentlich der Kinder und Greise, in einem heutigen Stadtteil von Beuthen (Miechowice), die Verschleppungen arbeitsfähiger Männer und Frauen nicht nur nach Zentralpolen, sondern besonders in die Sowjetunion, von wo nur einzelne zurückkehrten, daneben aber auch in Zwangsarbeitslager und Gefängnisse in Oberschlesien, und die meiste Willkür und Gewalt gegenüber den Ausgesiedelten, aber auch den Daheimgebliebenen, in den letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsmonaten. Lange vor dem Potsdamer Abkommen wurden diese Gebiete von Polen eben als sein Eigen, vielleicht auch als Kriegsbeute behandelt, wie es Ende August 1945 Bierut, der Gegenspieler Gomulkas schon zu dieser Zeit, mit dem Hinweis auf ihre Rolle als Kompensationsgegenstand für die an die Sowjetunion abgegebenen polnischen Ostgebiete vermuten laßt (8).
Bei den übergriffen wurde nicht gefragt, ob die betroffenen Menschen sich eher deutsch oder polnisch fühlten. Das interessierte weder die sowjetischen noch die polnischen Behörden und Machtträger; alle, die hier wohnten, wurden weitgehend gleich behandelt. Sie wurden gemeinhin als feindliche Deutsche eingestuft. Die Vertreibungen und die Einweisungen in Lager, wo auch Zwangsarbeit geleistet werden mußte, begannen – national gleichermaßen undifferenziert – noch bevor in Potsdam endgültig über dieses Gebiet entschieden worden war und man sich im Gefolge dieser Entscheidung zu besinnen begann, daß man nicht eine Kompensationsleistung entgegennehme, was eine bestimmte politische Ausdeutung gerechtfertigt hätte, sondern „urpolnische“ und daher „wiedererlangte Westgebiete bis zur Oder und Lausitzer Neiße mit Stettin in Verwaltung“ übernahm (9).
Auf dem Hintergrunde dieser vielfältigen Gewalt, der Kriegsbeutezüge aus Zentralpolen allein zu diesem Zwecke hierher kommenden Polen und der Aussiedlungen und Enteignungen, auch zur Unterbringung von ostpolnischen Repatrianten, verbreiteten sich sogar polnische Neologismen, was auf die Verbreitung und Intensität der durch sie umschriebenen Erscheinungen hindeutet. Auf diese Weise zogen in den polnischen Sprachschatz Oberschlesiens bis heute auch in ganz Polen gebräuchliche Bezeichnungen für Raubzüge ein, wie Szaber, szabrować oder szabrowanie; auch der aus dem Verhalten Polen gegenüber Juden während der Kriegsjahre stammende Ausdruck „szmalcownik“ und „szmalcowanie‘ erlebte seine Wiedergeburt als eine Bezeichnung für zutiefst unmenschliches Verhalten gegenüber Menschen von einzelnen.
Ehemalige KZ- und Kriegsgefangenenlager, daneben aber auch Gefängnisse, wurden erneut aufgefüllt, diesmal mit Oberschlesiern, wieder ohne Fragen nach der eigenen nationalen Einschätzung. Zu diesen Lagern gehorten auch Lamsdorf-Łambinowice und Auschwitz-Oświecim, dessen Geschichte erst zu Anfang der 50er Jahre zu Ende ging. Angesichts ihrer symbolischen Rolle für die Wahrung der Erinnerung an die NS-Verbrechen, um solches nicht wieder geschehen zu lassen, wird dies verschwiegen und ist daher weitgehend unbekannt: solche Anachronismen gab es noch weit mehr. Hier saßen nationalorientierte. antikommunistische polnische Widerstandskämpfer der Kriegsjahre zusammen mit Oberschlesiern und Schlesiern aus dem Bielitzer und Teschener Gebiet, deutschen und polnischen sowie deutschen Kriegsgefangenen ein, brutalen polnischen Aufsehern ausgeliefert, die trotz wiederholter Forderungen – auch von Polen betroffenen – bis heute für ihre Taten nicht abgeurteilt worden sind. Selbst ehedem ihr Polentum in den Aufständen nach dem Ersten Weltkrieg unter Beweis stellende Oberschlesier wurden verhaftet und eingebunkert. sofern sie den kommunistischen Machthabern nicht paßten. In ihrem eigenen Land blieben die Oberschlesier bis auf den heutigen Tag vielfaltig benachteiligt, in Amtern und Gerichten wegen ihrer Sprache verlacht und zurückgesetzt, im Bildungsanteil benachteiligt. Sie wurden in ihrer Heimat zu Menschen zweiter Klasse, selbst wenn Sie sich als Polen fühlten oder auch nur not gedrungen als solche ausgaben, gegenüber den aus Zentral- und Ostpolen eingeströmten Polen erster Klasse, die als „richtige“ Polen sich hier als Herren fühlen. Das kommt sogar in idiomatischen Redewendungen der einen und der anderen zum Ausdruck.
Das alles und noch viel mehr an Leid, Ungerechtigkeit und entwürdigender Schmähung verbirgt sich hinter den Zahlen, die Kollege Lesiuk in ihrer ganzen numerischen Unschuld abstrakt vor uns ausbreitete. Zahlen können Schicksale von Menschen verbergen, von denen – wie hier und jetzt – dann auch noch erwartet wird, daß sie sich unter Hintanstellung von erduldetem Leid, Ungerechtigkeit und Rechtlosigkeit auf einmal zu politischen Brückenfunktionen aufschwingen sollten. Können sie denn überhaupt ihre vielen politischen Manipulationen und das erfahrene Leid so leicht und schnell vergessen und ins Gegenteil umkehren? hir sollten uns fragen, ob ihnen nicht vielleicht überheblicherweise wieder einmal, zwar in bester Absicht, zu viel zugemutet wird und über sie schulmeisternd verfügt wird, ohne sie überhaupt anhören zu wollen, weil man ja besser als die Betroffenen zu wissen glaubt, was ihnen gut anstehen würde.
Menschlich und politisch bemerkenswert, insbesondere angesichts solcher Erwartungshaltungen und Fragestellungen ist, daß gerade auch die früher zum Polentum tendierenden Oberschlesier angesichts der vielfältigen diskriminierenden und entwürdigenden Behandlungen über viele, allzuviele Jahre hinweg in sich verschüttete Elemente der deutschen Kultur. ihrer eigenen oder nur der geborgten, trotz ihrer häufig familiengeschichtlich bewahrten negativen Erfahrungen mit Preußen, neben Affinitäten zu Deutschland entdeckten. Aus ihrer tiefen Enttäuschung über Polen, das sie anders erwartet und erhofft hatten, wandten sie sich in ihrem nationalen Dualismus wieder dem seinerzeit ver- und geschmähten Deutschland zu. Die ihnen nach 1945 zwangsweise polonisierten Vor- und Zunamen änderten sie als äußeren Ausdruck ihres Protestes und ihrer Abwendung in ihre deutsche Form zurück, selbst wenn sie slawischen Sprachkerns waren. Viele von ihnen bekennen sich neuerdings mit allen jenen zum Deutschtum, die Deutsche geblieben waren, aber durch den Sozialen Zwang ihrer polnischen Unwelt und den Umstand der Verifikation ihr Deutschtum zeitweise für den Blick von außen verbergen mußten. Im endlich erreichten Nationalstaat Polen, den alle nationalen Krafte jahrhundertelang herbeigesehnt haben – darunter auch die katholische Kirche, die sich als „polnische Kirche“ versteht und im Volksmund auch so bezeichnet wird -, konnten ja nationale Minderheiten gar nicht vorhanden sein und durften es auch nicht.
Um dieses trotz seiner Selbstverleugnung nicht untergegangene Oberschlesien zu begreifen, ist außer einer subtilen Kenntnis seiner vielen Probleme auch sehr viel guter Wille jenseits einseitiger politischer Absichten vonnöten. So honorig sie in ihren Anliegen auch sein mogen. Dazu gehört auch die Erwartung einer Brückenfunktion für dieses Gebiet und für seine Menschen zwischen Deutschland und Polen. Bedenken wir aber genügend, daß aller gute Wille und alle von außen herangetragenen guten Absichten keineswegs dem erfahrungsbeladenen Willen der Betroffenen zu entsprechen brauchen?
Uber die entwürdigenden, fur ihre Verursacher und Träger aber würdelosen Vorgänge kann neuerdings in der polnischen Presse immer häufiger gelesen werden. selbstkritisch, einsichtig und anklagend, wie z.B. aus der Feder von Maria Szmeja im „Tygodnik Powszechny“ (01.04.1990), und nicht nur in bundesdeutschen landsmannschaftlichen Blättern. Wegen bei weitem nicht so kritischer und anklagender Artikel wurden und werden sie trotzdem noch immer polnischerseits undifferenziert der Verleumdung und der Polenfeindlichkeit, des Revisionismus und Revanchismus geziehen, wie ja schon im Februar 1945 ohne Bezugsobjekt in politischer, eigenorientierter, legitimativer Absicht programmiert. Das wird dann – obwohl sicherlich in bester Absicht, aber ohne eigene profunde Kenntnis der Materie, zu der jedoch entgegen sonstiger Gewissenhaftigkeit Stellung genommen wird – in der Bundesrepublik weiter verbreitet und sogar als eigene kritische, dann auch viel Selbstzufriedenheit und ein großes Uberlegenheits- und Selbstwert gefühl („kritisches Verantwortungsbewußt sein mündiger Bürger“) vermittelnde Einschätzung weitergegeben. Die Zeiten ändern sich allenthalben. Hoffentlich tun es auch die vorschnellen, auf Sand gebauten Urteile samt ihrer häufig pharisäerhaften Grundhaltungen, die Zeitströmungen zu absoluten Wahrheiten machen.
Solches wäre bei uns selbstkritisch zu reflektieren und an der Entwicklung in Polen zu spiegeln. Nachden es eine Koalitionsfreiheit gibt. schießen landsmannschaftliche Organisationen von Ostpolen wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden, wie sie in der polnischen Emigration aber schon immer bestanden haben. Sie wurden nur weder in Polen noch bei uns beachtet und in ihrer politischen Bedeutung und Programmatik eingeordnet, wobei viele Überraschungen zu erleben wären. Neuerdings wird in Polen fordernd überlegt, ob und auf welche Weise den ostpolnischen „Repatrianten“, die ja in den Oder-Neiße-Gebieten ehemals deutsches Eigentum übernommen haben und ihren Erben für das in ihrer Heimat zurückgelassene private Hab und Gut von der Sowjetunion Entschädigung gezahlt werden soll. Hierzu konnte maliziös vieles angemerkt werden!
Oberschlesien gõnnerhaft eine Brückenfunktion zuzudenken oder – aus dem oberschlesischen Blickwinkel – zuzumuten, setzt nicht nur Einsicht in das Falschgemachte hüben und drüben voraus, sondern auch einen endgültigen Verzicht auf nationale Stereotypien, auch wieder hüben und drüben. Es bedeutet demnach auch für uns eine Verpflichtung und nicht nur eine lehrmeisterartige Erwartung an die anderen: und zwar eine grundlegende Veränderung der Haltung zu den in Oberschlesien ein schweres, über viele Jahre dazu sehr einsames Schicksal tragenden Menschen mít ihren, den Polen letzten Endes fremden und unverständlichen. daher auch mißtrauisch beäugten lokalpatriotischen Regionalismen und Traditionen. die aus der Offenheit der Menschen nach verschiedenen Richtungen geboren worden Sind und sie in ihrem nationalen Dualismus der Indifferenz immer wieder zwischen ihnen schwanken ließen. Den Gründen dafür nachgehen zu wollen, würde sicherlich die Menschen überfordern. die sie sich wohl selber kaum bewußt machen konnen. Es bedeutet aber, den Oberschlesiern ihre Würde wiederzugeben, ihr Vertrauen zu gewinnen und danach zu trachten, es nicht wieder leichtfertig zu vertun, auch dadurch, daß ihnen mit aller Gonnerhaftigkeit gesagt wird, was sie zum Besten der anderen, wie sie es ja verstehen müssen. zu tun haben, ohne daß. wie sie dann glauben könnten, ihren eigenen Anliegen und Interessen dabei gebührender Raum eingeräumt wurde. Losungen und Haltungen, wie sie beim Wahlkampf um den durch den Tod des Oppelner Senators Edmund Osmańczyk freigewordenen Senatssitz aufkamen und an den Wanden Oppelns und in der Umgebung gelesen werden konnten, zeigen außer einer anachronistischen beiderseitigen-polnischen und deutschen-chauvinistischen Haltung besonders eine tiefe inhumane Menschenverachtung und schlimmsten Obskurantismus. Sie sind Zeichen für Tendenzen, die bei mangelndem Fingerspitzen- und Feingefühl sowie vermeintlicher Einmischung in mißverstandene inner-oberschlesische Angelegenheiten sich verfestigen könnten. Auf der einen Seite hieß es „Ehre cines Polen ist es, einen Schlesier totzuschlagen“, worauf die andere Seite antwortete: „Fur jeden Kopf eines Schlesiers den Kopf eines Polen“. Es taten sich abgrundtiefe Gegensätze auf, die durch die Politik nach 1945 noch geschürt worden sind. Es gilt unbedingt, sie zuzuschütten.
Alles das bedeutet aber vor allem, Oberschlesier wieder das sein zu lassen, was sie waren, bevor sich die immer politischen Interessen und Instrumentalisierungen ihrer besannen, die deutschen und die polnischen: Sie in ihrer Heimat Oberschlesien ganz einfach Oberschlesier sein zu lassen, ohne besondere Ansprüche an sie zu stellen. Sie werden sich dann auf ihren Standort und ihre Rolle zwischen den Nationen und Gesellschaften zu besinnen wissen und vielleicht sogar auf jene Brückenfunktion, zu der sie eigentlich prädestiniert wären. Angesichts der leidvollen Nachkriegserfahrungen sollte dann aber auch niemand überrascht sein, wenn Sie sich in der Mehrheit aus ihrer nationalen Dualität auf ihre deutschen Wurzeln und Affinitäten besinnen. Schon bei der bevorstehenden Kommunalwahl Ende Mai könnte dies eintreten. Diese Entwicklung sollte dann aber auch von Polen in Polen akzeptiert und nicht aus nationalstaatlichem Interesse fehlgedeutet oder gar wieder unterdrückt werden. Solches wäre in jeder Weise kontraproduktiv. Bieniasz legt in diesem Zusammenhang dar, was deutscherseits ohne Gefahr falscher Interpretationen kaum auf diese Weise zu formulieren wäre, daß nämlich „historische Ressentiments keine guten Ratseber sind“ und daß „Intoleranz gegenüber einem Teil der eigenen Staatsbürger von Schwäche zeugt und die Unfähigkeit, die gemeinsamen Werte zu nutzen, geradezu ein historischer Fehler“ Polens gegenüber Oberschlesien und seinen Menschen ist: „Wenn sich Polen in Europa wirklich wiederfinden will, dann muß es erstmals Toleranz lernen“, mahnt Bieniasz in diesem Zusammenhang seine Landsleute.
Am Ende meiner Ausführungen sei mir gestattet, eine spezifische Erinnerung aufzufrischen, die dazu angetan ist, manches von dem, was ich ausgeführt habe, aus dem Alltag zu verdeutlichen.
In den Jahren 1947 bis 1949 verdiente ich mein Studiengeld in Kiel als Dolmetscher für Polnisch und Russisch an englischen Gerichten und durch polnischen Sprachunterricht. Ich hatte großen Zulauf von meist jungen Menschen, Kriegsteilnehmern, die das Kriegsende nach Schleswig-Holstein verschlagen hat, Frauen und Männern, deren Familien aber in ihrer Heimat Oberschlesien zurückgeblieben waren und nicht auf die Flucht gegangen waren, aus welchen Gründen auch immer. Sie alle wollten Polnisch lernen, um im polnischen Repatrierungsamt PUR, das eine Außenstelle in Lübeck unterhielt, eine Rückkehrerlaubnis zu ihren Angehorigen im nunmehr polnischen Oberschlesien zu erhalten. Sie bekamen sie aber nur dann, wenn Sie sich durch rudimentäre Polnischkenntnisse als germanisierte Polen darstellen konnten. Erst dann durften sie eine Wohlverhaltenserklärung gegenüber Polen und der polnischen Nation ablegen. Damit optierten sie vor ihrer Abreise für Polen, wodurch sie polnische Staatsangehörige wurden. Das war der Preis, den sie für die Rückkehr nach Hause zu zahlen hatten. Sonst gab es keine legale Einreise.
Ich bemühte mich, diesen Menschen Polnisch beizubringen, – übrigens eine fűr Deutsche sehr schwierige Sprache, wie ich später als Universitätslektor für Polnisch in Kiel feststellen konnte. Doch alle kamen aus Lübeck erfolglos zurück. Sie baten, statt richtig Polnisch zu lernen, nur das „Vater unser“ und das „Gegrüßt seist du, Maria“ sowie bis 25 zu zählen beigebracht zu bekommen. Das genüge, denn das sei der Maßstab für die Anerkennung als germanisierter Pole und Optant und damit auch als polnischer Repatriant aus Deutschland. Als ich ihnen dann sicherheitshalber auch noch den „Glauben“ und das Zählen bis 50 beibrachte, sah ich keinen von ihnen mehr wieder.
Einer, ein sehr sympathischer junger Gerichtsassessor und ehemaliger deutscher Offizier. ließ mir bei seiner Abreise nach Lübeck ein Buch mit einer herzlichen, deutschen Widmung zurück. Ich habe seitdem nichts wieder von ihm gehört, was ich bedaure. Heute müßte er ja wohl Pole sein, wie alle die anderen, die bei mir ihre Fertigkeit für die Einstufung als germanisierter Pole erworben haben. Oder dürfen sie sich auf den Zwangsgrund und die Umstände ihrer Option für die Heimkehr aus dem Kriege besinnen, um daraus personliche Schlüsse für das Heute zu ziehen?
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